Auf in die Sommerfrische…
Von Anfang an war die Villa Waldfrieden etwas Besonderes – schon allein durch ihre Lage am Fuß des Trifelswaldes. Sie wurde erbaut als Solitär zwischen Feldern und Wiesen außerhalb der damaligen Stadtgrenze. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick in das Tal. Umgekehrt war die Villa weithin sichtbar für die Einwohner und Gäste von Annweiler.
Das mittelalterlich geprägte Städtchen, wie auch der gesamte Pfälzer Wald mit seinen Felsen und geschichtsträchtigen Burgen, gehören seit Beginn des Fremdenverkehrs im 19.Jahrhundert zu den begehrten Ausflugszielen im Südwesten. Besonders beliebt war von Anfang an die Burg Trifels südlich der Stadt auf den Gipfelfelsen des Sonnenberges. Seit den Tagen der Romantiker und ihres neu erwachten Interesses an Zeugen des Mittelalters wurde die alte Reichsburg weithin in deutschen Landen bekannt und in Bildern und Gedichten verherrlicht. Aber erst mit der Eröffnung der Eisenbahn von Landau nach Annweiler im Jahr 1874 kamen immer mehr Reisende, um die Wälder und Burgen mit eigenen Augen zu entdecken und zu erwandern.
Der gesteigerte Ausbau der Eisenbahn im Zweiten deutschen Kaiserreich ermöglichte generell das Reisen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Dies führte zu einem enormen Anstieg an Neubauten von Gasthäusern und Hotels, wobei der kurze Weg zum Bahnhof sowie die landschaftlich reizvolle Lage für den Erfolg als großer Standortvorteil angesehen wurden. Auch die Villa Waldfrieden, erbaut als Kurhotel und Restaurant zur naturnahen Einkehr erholungssuchender Bürger, ist vor diesem historischen Hintergrund zu sehen.
Die Villa Waldfrieden, wie auch das im nahe gelegenen Bindersbach errichtete ehemalige Erholungsheim, stehen heute unter gemeinsamer Leitung der Seminarhotel Kurhaus Trifels GmbH. Beide sind in der gleichen kulturgeschichtlichen Epoche des späten Kaiserreiches geplant und ausgeführt worden. Damalige gesellschaftliche Entwicklungen haben ihr Aussehen wie auch ihre Aufgabe entscheidend geprägt.
Markus Sternlieb, Stadtbaumeister von Ludwigshafen, erhielt im Jahr 1907 den Auftrag zum Bau eines Erholungsheimes für Beamte und Angestellte der Stadt Ludwigshafen. Die Bauaufgabe war eindeutig, wie wir aus der Bezeichnung „Erholungsheim“ erkennen können: Erholung für Körper und Geist an einem Ort, in einem Heim, wo man sich heimatlich geborgen und wohl fühlen sollte.
Seit dem fortschreitenden 19. Jahrhundert lockten immer neue Industriebetriebe die Landbevölkerung scharenweise in die Städte. Dort bestimmten rauchende Schlote, Lärm und Hektik das moderne Leben. Tuberkulose grassierte als todbringende Krankheit. Nervöses Nervenleiden, die sogenannte Neurasthenie, wurde zu einem weit verbreiteten gesundheitlichen Problem. Es gab hierfür noch keinerlei wirksame pharmazeutische Hilfen. Als erfolgversprechendes Heilmittel empfahlen die Ärzte Erholung in der Natur. Wer gesund werden wollte, der sollte auf´s Land gehen. Der im 19.Jahrhundert in großem Stil einsetzende Bau von Sanatorien und Kurhäusern spiegelt die neuen medizinischen Bedürfnisse. In jenen Jahren erfuhr vor allem auch die Schweizer Alpenwelt ihren Aufstieg als natürlicher Gesundbrunnen wohlhabender Europäer.
Aber schon damals brauchten die Gäste gar nicht so weit zu fahren. Die deutschen Mittelgebirge und so auch die Pfalz erlebten als Reiseziel naturbegeisterter Sommerfrischler und Genesung suchender Kranker eine erste große Blüte. Sogenannte „Luftkurorte“ wurden immer beliebter. Und so wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert auch für die im Pfälzer Wald gelegene Stadt Annweiler in der Presse und in Anzeigen mit dem besonderen Prädikat „Luftkurort“ geworben. Daher ist es nur allzu verständlich, dass die Industriestadt Ludwigshafen gerade hier in einem Dörfchen bei Annweiler, und zwar in Bindersbach, ihr Erholungsheim für städtische Angestellte und Beamte bauen ließ. Der Name ist inzwischen Geschichte. Das Erholungsheim führte von 1952 bis 1999 den Namen Kurhaus Trifels und heißt heute Seminarhotel Kurhaus Trifels.
Kurhaus am Fuße des Trifels…
Die zündende Idee zum Bau eines allerersten „Kurhotels – Kurhauses“ hoch über Annweiler hatte ein anderen junger Architekt: Sein Name ist Karl Klorer. Der damals noch unverheiratete Sohn eines badischen Notars stellte am 1.Juni 1908 bei der Stadt Annweiler den Antrag zum Bau eines „Kurhauses am Fuße des Trifels“. Klorer legte seine Pläne dem Stadtrat vor, der diese einstimmig genehmigte. Der junge Baugewerksmeister war damals in Annweiler noch unbekannt, denn in den Stadtratsprotokollen lesen wir: „Betreffs der Personalfrage kann sich der Stadtrat nicht äußern, da sich der Gesuchsteller erst seit einiger Zeit vorübergehend hier aufhält.“
Aus der Stadtratssitzung vom 16. Juni 1908 berichtet das Annweiler Wochenblatt am 18. Juni unter Punkt 4 „Errichtung eines Kurhauses am Fuße des Trifels“ seinen Lesern: „Das Konzessions- und Baugesuch des Herrn Baugewerksmeisters Klorer wird nach Erledigung der Wegfrage genehmigt“.
Die Klärung der Zugangsfrage zu dem künftigen Kurhotel war wichtig, denn es sollte weit außerhalb der bisherigen Baulinie von Annweiler errichtet werden. Im Stadtratsprotokoll vom 16. Juni 1908 wird darauf hingewiesen: „Hinsichtlich der Lokalfrage ist der vorgelegte Bauplan maßgebend. Da der Bau an einen Feldweg zu stehen kommt, so ist die Frage wegen Alignement hier einschlägig, weßhalb der Bauplan dem Herrn Bezirksbaumeister zur weiteren Veranlassung vorgelegt werden soll.“ Der Eintrag endet mit folgenden Worten: „Nach Erledigung der Wegfrage hat der Stadtrat gegen das Baugesuch eine Erinnerung nicht zu erheben.“
Die Genehmigung lag in den Händen des Bezirksbaumeisters Johann Kullmann. Kullmann war zudem bekannt durch die Bauausführung des 1907 eingeweihten neuen Schulhauses, der heutigen Grundschule von Annweiler. Das außerhalb der städtischen Baulinie entstandene Gebäude galt seinerzeit als schönstes Schulhaus der Pfalz. Auf Postkarten aus der damaligen Zeit thront das mächtige, aus heimischem Sandstein errichtete Schulhaus auf einem Hügel direkt bei der Stadt. Südlich davon, in den Feldern unterhalb des Trifelswaldes, sollte ab Sommer 1908 die Villa Waldfrieden erstehen.
Karl Klorer – Herkunft und Heirat
Die Lage des Bauplatzes war von Architekt Karl Klorer geschickt ausgesucht worden. Er befand sich nicht weit entfernt von einem damals beliebten Ausflugsziel, dem sogenannten „Jägerplätzchen“, auf dem immer wieder auch Festveranstaltungen des Turnvereins Annweiler gefeiert wurden. In dem Wanderbuch für den Pfälzerwald von Dr. C. Mehlis, das 1904 erschienen ist, wird auf S. 66 das „Jägerplätzchen“ ausdrücklich als ein als lohnendes Ausflugsziel von Annweiler genannt.
Karl Klorer hatte ganz persönliche Bindungen an den Turnverein. Sein künftiger Schwiegervater, der Volksschullehrer Wilhelm Neubecker, war 1885 Sprecher im Gründungskomitee und dann bis 1892 1. Vorsitzender des TSV Annweiler. Die Tochter des turnbegeisterten Wilhelm Neubecker, Anna-Maria, lebte im Saargebiet. Sie war die Ehefrau des Bauunternehmers Justus Friedrich Albrecht Schneider. Beide haben vor 1900 vermutlich in Dillingen geheiratet. Karl Klorer muß als junger Baugewerksmeister im Umfeld von Schneider gearbeitet haben, wobei er Anna-Maria kennenlernte. Wie aus dem Standesamtseintrag zur Hochzeit im Stadtarchiv in Landau hervorgeht, ließ sich Anna-Maria von ihrem Mann scheiden, um Karl Klorer heiraten zu können. Die standesamtliche Hochzeit fand am 6. November 1909 in Landau statt. Anna-Maria brachte drei Kinder mit in die Ehe. Eine gemeinsame Tochter Hildegard wurde 1910 in Annweiler geboren.
Wichtige Informationen zu Klorers Biografie enthält der Grundbucheintrag von 1908 zum Erwerb des Grundstückes Nr. 1679 bei Annweiler, auf dem die Villa Waldfrieden dann gebaut werden sollte. Hier erfahren wir, dass er am 13.Dezember 1874 in Pforzheim geboren wurde. Sein Vater war der großherzoglich badische Notar Karl Klorer, die Mutter Louise Klorer, geborene Demmer. Die Vorfahren der Notarsfamilie Klorer stammen väterlicherseits aus einer Fruchthändlersfamilie aus Endingen am Kaiserstuhl.
Der Notar Karl Klorer verstarb bereits mit einundfünfzig Jahren im Januar 1882 in Karlsruhe-Durlach. Sein Sohn Karl, unser späterer Baugewerksmeister, blieb mit seinen zwei Schwestern als Halbwaise zurück. Die Mutter Louise Klorer war nun Witwe mit kleinen Kindern. Dies war sicher kein leichter Stand. Als Tochter des Bierbrauers Karl Friedrich Demmer aus Karlsruhe-Durlach hatte sie Beziehungen zum Gastgewerbe. Und so heiratete die junge Witwe bereits ein Jahr später, und zwar am 27. März 1883, den zehneinhalb Jahre jüngeren Restaurateur Johann August Truyen aus Braunschweig. Der junge Gastronom war für zwei Jahre in Karlsruhe tätig gewesen, wo er seine Frau Louise kennenlernte. Er ging kurz nach der Hochzeit mit seiner Frau und den drei angeheirateten Kindern nach Braunschweig zurück.
Aus Einträgen im Stadtarchiv Braunschweig erfahren wir, dass Truyen Ende März 1883 bei dem Stadtrat von Braunschweig um eine Konzession als Schankwirt nachsuchte, die er auch erhielt. Karl Klorer verbrachte also erste Kinderjahre als Stiefsohn des Johann August Truyen in dessen Gastwirtschaft am Kohlmarkt 1 im Zentrum der alten Hansestadt.
Auch mit dem neuen Ehemann hatte seine Mutter Louise nur eine kurze gemeinsame Lebenszeit, denn dieser starb bereits im Jahr 1885. Wie aus einem erhaltenen Gesuch an den Stadtrat von Braunschweig ersichtlich ist, hat die zweifache Witwe das Gasthaus wohl noch einige Zeit als Speisewirtschaft weitergeführt. Im April 1912 war sie bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter in Annweiler, kurz vor deren Umzug nach Mannheim. Sie verstarb 1925 in Braunschweig.
Karl erhielt demnach in Braunschweig als Kind schon erste prägende Einblicke in das Gastgewerbe. Dies sind Erfahrungen, die ihm dann in Annweiler bei der Ideenfindung und späteren Übernahme der Leitung von Kurhotel und Restaurant Villa Waldfrieden zu Gute kommen konnten. Welche Schulen er besucht hat und wo er seine Ausbildung zum Baugewerksmeister erhielt, ist unbekannt.
Karl Klorer in Annweiler – Planung und Bau des Kurhotels Villa Waldfrieden
In dem Grundbucheintrag vom 14. Februar 1908 zum Erwerb des Bauplatzes für die künftige Villa Waldfrieden in Annweiler wird er erstmals als Baugewerksmeister aufgeführt. Er kaufte von Charlotte Koch, geborene Seibel, Frau des Lederhändlers Johann Heinrich Seibel aus Dürkheim, das Grundstück Nr. 1679 , eingetragen als „Wiese am Hang“. Hierbei hatte er wohl bereits den Plan, ein Kurhotel zu bauen. In dem Grundbuch steht geschrieben, dass Karl Klorer, in Dillingen an der Saar wohnhaft, offiziell am 30.Oktober 1909 nach Annweiler umgezogen ist. Der junge aufstrebende Mann wollte sich in der Trifelsstadt in einem eigenen Baubüro eine berufliche Existenz aufbauen.
In dem Adressbuch der Stadt Landau und Umgebung von 1911 ist „Karl Klorer Architekt“ in der „Bahnhofstraße 353“ wohnhaft eingetragen. Zu dieser Zeit war er bereits, wie oben erwähnt, mit Anna-Maria verheiratet. Ohne die Bekanntschaft mit der Lehrerstochter wäre er vermutlich nicht nach Annweiler gekommen und die Villa Waldfrieden nie gebaut worden.
Im Jahr der Hochzeit 1909 war der Bau der Villa Waldfrieden bereits begonnen. Sie sollte von einem Gastronomen mit Erfahrung geleitet werden. Klorer selbst hatte andere berufliche Pläne: Am 25. März 1909 erschien im Annweiler Wochenblatt eine erste Anzeige: „Zur Anfertigung von Zeichnungen für Neubauten und Umbauten, Kostenschlägen, Abrechnungen, statistischen Berechnungen sowie zur Leitung von Neubauten empfiehlt sich Karl Klorer Hauptstraße 86/I Bautechnisches Büro“.
Der aufstrebende Architekt hatte schließlich für sein „Kurhaus am Fuße des Trifels“ den passenden Namen parat. Es sollte ganz programmatisch „Villa Waldfrieden“ genannt werden. „Villa Waldfrieden“, was für ein poetischer Name. Der Name „Waldfrieden“ war damals für anspruchsvolle Hotellerie in freier Natur kein Einzelfall. Bereits im Jahr 1890 entstand in der gesunden Luft des Soonwaldes die „Curcolonie Waldfriede“, die aus mehreren vornehmen Baulichkeiten bestand. Sie befand sich nahe bei Seesbach, etwa 60 Kilometer von Mainz entfernt. Berühmte Persönlichkeiten, darunter Kaiser Wilhelm II., haben hier ihre Sommerfrische verbracht.
Im Unterschied zu dieser groß angelegten „Curcolinie“ war Karl Klorers Kurhotel bis in die dreißiger Jahre der einzige Bau in dem Gelände unter dem Trifelswald. Es steht in der großen Tradition der abendländischen Villenarchitektur. Der Name Villa ist lateinischen Ursprung und meint das vornehme Landhaus, wo die reichen Römer ihren Traum eines arkadischen Lebens zu verwirklichen suchten. ´ Mit dem Namen „Villa Waldfrieden“ bekundete Klorer dem Gast, was ihn hier erwartete: Gehobener Wohnkomfort in ruhiger Waldesnähe. Der Gast konnte sich hinter der Villa im Garten erholen: Auf der rechten Seite befand sich ein Springbrunnen. Im Freien hinter der Restaurantetage waren einige Treppenstufen hoch Richtung Trifelswald Tische aufgestellt. Im Gastraum der Villa auf der Talseite, vom Erker aus, oder auch im anschließenden verglasten Wintergarten sitzend, hatte man einen unvergleichlichen Ausblick über die Wiesen und Äcker, auf Annweiler und zu den umliegenden Bergen.
Architektur im Reformstil mit Jugendstilelementen…
Ein wunderschöner Blick in die Natur und auf besondere Sehenswürdigkeiten gehörte von Anfang an zum spezifischen Angebot von Kurhotels und Sanatorien. Diese entstanden etwa seit 1880 in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland, analog dem wachsenden Bedürfnis nach gesundem Aufenthalt in der Natur. Es sind stilistisch ganz spezifisch gebaute Architekturen, die vielfach dem Reform- oder Heimatstil zuzuordnen sind.
Auch die Villa Waldfrieden, wie das Seminarhotel Kurhaus Trifels, sind architektonische Kinder dieses Stils, der immer mehr den dekorativen Reichtum des Historismus abzulösen begann. Nun waren junge Architekten auf der Suche nach einer adäquaten Bauweise für die sich wandelnden Bedürfnisse. Sie übernahmen Anregungen aus eigener ländlicher Architektur, vom Schweizerhaus und dem englischen Landhaus. Sie wollten keinen völligen Traditionsbruch, wie dies dann schließlich das Bauhaus in Thüringen in den zwanziger Jahren propagiert hat. Wichtiges Anliegen war ihnen eine einfache, natürliche und vernünftige sowie zugleich gehobenen Ansprüchen genügende Architektur, ohne die Fülle des den Baukörper überspielenden historisierenden Dekors. Auch Markus Sternlieb in Bindersbach und Karl Klorer in Annweiler orientierten sich an den damaligen Entwicklungen.
Es sind keine Pläne von Karl Klorer überliefert. Allerdings gibt es eine Zeichnung von seiner Hand, die mehrfach veröffentlicht wurde. Die in Schwarz-weiß angelegte Zeichnung ist in Anzeigen im Annweilerer Wochenblatt vom April 1910 abgedruckt, sowie in einem unbekannten Werbeprospekt aus der gleichen Zeit. Eine damals ebenfalls entstandene Postkarte zeigt die gleiche Zeichnung. Nun allerdings in kolorierter Variante. Beide Male geht der Blick schräg auf die nordöstliche Seite des kompakten Bauwerkes.
Klorer hat in seiner Zeichnung die Villa Waldfrieden sehr stimmungsvoll als bereits für den Fremdenverkehr geöffnet ausgestaltet. Und so sehen wir im Garten vor dem Haus mehrere Stühle und Tische, auf denen Gäste Platz genommen haben. Im Hochparterre oberhalb der Sitzenden befindet sich eine offene Loggia mit Brüstung. Sie wurde schließlich als verglaster Wintergarten ausgeführt oder entsprechend umgebaut. Offene Loggien waren beim Bau von Sanatorien und Kurhotels sehr beliebt, denn die Kurgäste wollten sich zwar geschützt, aber dennoch im Freien in der guten Luft aufhalten und ausruhen. Auch beim ehemaligen Erholungsheim in Bindersbach war der heute als verglaster Wintergarten bestehende Anbau von Markus Sternlieb zunächst als offene Loggia für das Liegen und Sitzen der Gäste in frischer Waldluft errichtet worden. Schließlich war es hier aber wohl zu kalt und zugig und so
wurden die Wände mit Fenstern geschlossen. Der freundliche Anbau mit den großen Fenstern bietet auch heute noch einen besonders lichten Raum für die Gäste des Seminarhotels im Bindersbacher Tal.
Klorer musste bei der Planung für seine Villa das abschüssige Terrain berücksichtigen. Das Untergeschoss ist in das Gelände hinein gebaut und daher nur teilweise sichtbar. Hier befanden sich Lagerräume und auch die Küche, von der aus mit Hilfe eines Aufzuges die Speisen in den Gastraum gelangten. Heute sind im Untergeschoss der neue Frühstücksraum mit Bar und Küche sowie Heizräume untergebracht. Für den seitlich links im Hochparterre angeordneten Hoteleingang ließ sich Klorer etwas Besonderes einfallen: Der Zugang ist hinter die vordere Bauflucht versetzt und war bis zum heutigen Umbau mit einer geradlinig aufgemauerten Treppe zu erreichen.
Die linke vordere Ecke des Hochparterres steht frei und erhöht über dem Eingang. Sie wird durch einen geböschten Pfeiler aus Buckelquadern getragen. Hierauf befindet sich in Stein gemeißelt die Inschrift „C. Klorer Architekt 1908.“ Die Treppe wurde 2015 im Rahmen der Neugestaltung der Vorderseite der Villa nach Plänen von Landschaftsarchitekt Hans-Peter Schmitt verändert und führt nun in einer einladenden Rundung zu dem Eingang.
Klorers eigenwillige Lösung der Eingangssituation ist Teil der sehr originellen Gestaltung des gesamten Baukörpers. Über dem Untergeschoss aus Buckelquadern in Buntsandstein erhebt sich an der zur Straße gelegenen Seite der Wintergarten mit seiner groß verglasten, lichten Fensterfront. Seitlich rechts über Eck ist ein dreigeschossiger Standerker angebaut, dessen pyramidal geformtes Dach seit der Renovierung im Jahr 2015 mit einer neu entworfenen Fahne geschmückt ist. Die Gestaltung des Erkers entspricht dem Kernbau: Das Untergeschoss des Erkers ist ebenfalls mit Buntsandsteinquadern verkleidet, das Hochpaterre und das folgende Stockwerk sind verputzt und das obere Stockwerk mit Fachwerk versehen.
Auf der als Postkarte gedruckten kolorierten Variante der von Klorer gezeichneten Ansicht der Villa Waldfrieden weht noch die weißblaue Fahne Bayerns auf der Spitze des Daches. Dies erinnert uns daran, dass die Pfalz von 1816 bis 1918 zum Königreich Bayern gehörte.
Fenster unterschiedlicher Größen, Formen und Anordnungen schneiden in die Mauerflächen des Hochparterres, wie auch der beiden Obergeschosse ein und beleben derart die Gebäudefronten. Die Fenster, der Wintergarten und der über diesem befindliche Altan bieten genügend Ausblicke. Dies ist Klorers architektonische Antwort auf das in der Erbauungszeit aktuell gewordene Bedürfnis der Menschen nach Licht, Luft und Sonne.
Die Sehnsucht des entfremdeten Städters nach Natur spiegelt sich in der Einbindung der Architekturen in die heimische Bautradition: Regional gewonnener Buntsandstein prägt als Baumaterial seit Jahrhunderten die Pfälzische Architektur. Sternlieb und Klorer haben sich hiervon inspirieren lassen. Und so wachsen die Villa Waldfrieden wie auch das Seminarhotel Kurhaus Trifels aus einem rötlichen Buntsandsteinsockel massiv empor. Beide Architekturen sind, wie bereits erwähnt, in den Geschossen darüber als Putzbau in heller Farbigkeit gehalten.
Ein weiteres wesentliches Element des Reform- oder Heimatstils war das in Fülle vorhandene Baumaterial Holz. Vertikale, parallel angeordnete Holzbalken bilden ein schlicht und zugleich dekorativ wirkendes Fachwerk am nördlichen und südlichen Giebel der Villa sowie am oberen Erkergeschoss.
Ein derart allein aus senkrechten Balken aufgebautes Fachwerk ist ohne englische Einflüsse nicht zu denken. Die zentrale Rolle bei der Übermittlung des sogenannten Cottagestils spielte der Berliner Architekt Hermann Muthesius. In zahlreichen Veröffentlichungen, darunter vor allem das grundlegende Werk „Stilarchitektur und Baukunst“ von 1902, machte er das vornehme, in die Natur eingepasste englische Landhaus auf dem Kontinent bekannt. Rein schmückende Zutaten, wie sie der Historismus und Jugendstil bevorzugten, lehnte er ab. Als Grundlage der neuen Formideen diente der Rückgriff auf die Urformen des Hauses wie Wand, Dach und Giebel, verbunden mit handwerklich sorgfältiger Gestaltung. Auch Klorer hat sich bei seiner Villa Waldfrieden und ihrem Fachwerkgiebel hieran orientiert. Sie präsentiert auch heute noch die typische Fachwerkoptik von dunklem Holz und hellem Putz. Holz in Form von Fensterläden finden wir am ehemaligen Erholungsheim in Bindersbach an seiner Ostseite. Auf Fachwerk hat Sternlieb hingegen ganz verzichtet. Jedes Detail in Form und Material ist wichtig und trägt zur Aussage und Wirkung des Gebäudes bei.
Sternblieb wie Klorer nutzten bei der Gestaltung auch Anregungen aus dem Jugendstil. Aufwändig gestaltete Räume mit dekorativen, am Jugendstil orientierte Wandmalereien sind für das Seminarhotels Kurhaus Trifels überliefert. Die Villa Waldfrieden enthielt stuckierte Verzierungen in Jugendstilornamentik, die inzwischen abgeschlagen worden ist. Allein die Holztür zwischen Kaminzimmer und Wintergarten im hoch gelegenen Erdgeschoß präsentiert auch heute noch im Relief florale Ornamentik aus der Frühzeit der Villa. Ein ovales Jugendstilfenster konnte bei der Renovierung gerettet und an passender Stelle wieder eingebaut werden. Weithin sichtbar im westlichen Giebel grüßt die farbig renovierte Jugendstilinschrift „Villa Waldfrieden“ den aus der Richtung des Kurparks auf der Waldfriedenstraße ankommenden Besucher.
Klimatischer Kurort für den modernen anspruchsvollen Gast – Eröffnung des Kurhauses Villa Waldfrieden
Karl Klorer hatte im Jahr 1908 den Ort seiner künftigen Aktivitäten gut gewählt und hoffte auf eine vielversprechende Zukunft in Annweiler.
Annweiler war um 1900 eine aufstrebende Fremdenverkehrsgemeinde, die von ihrer Lage im Pfälzer Wald sowie der herausragenden historischen Bedeutung des Trifels profitierte. Die alte Stauferburg wurde in zahlreichen damals erschienenen Publikationen als Reiseziel besonders herausgehoben.
Bereits vor dem Bau der Villa Waldfrieden erschien beispielsweise ein fein mit Jugendstilornamentik gestalteter Führer, dessen Titel stolz auf Annweilers Stellung als Kurort hinweist: „Annweiler. Klimatischer Kurort im Pfälzerwald am Fusse des Trifels„. Er wurde um 1906 / 07 bei Hans Hübners Buchdruckerei in Annweiler gedruckt. Der Führer enthält ein aufschlussreiches Foto mit dem Panorama „Annweiler am Trifels, Anebos, Münz“. Es zeigt den Blick von Nordwesten auf Annweiler im Queichtal. Es fehlt noch das mächtige, 1907 eingeweihte Schulhaus, wie auch die Villa Waldfrieden. Das Foto wurde aus dem „Wanderbuch für den Pfälzerwald“ von 1904 übernommen und dokumentiert die herrliche Lage der Trifelsstadt mitten in Feldern und Wäldern. Und so ist es sehr verständlich , dass Annweiler schon damals als ein besonderer klimatischer Kurort der Pfalz sehr in Mode war.
Bereits in dem Führer von 1904 warb das Hotel Schwan in einer ganzseitigen Anzeige mit dem Aufmacher „Klimatischer Luftkurort Annweiler am Fusse des Trifels“. Weiterhin lesen wir „In nächster Nähe des Bahnhofes…5 Minuten zum Hochwald“ sowie „mit allen Anforderungen der Neuzeit entsprechendem Comfort ausgestattet“ . Den anspruchsvollen Gast erwarteten hier demnach elektrisches Licht, Bad, Toilette und Telefon. Wie wir im Folgenden erfahren werden, hat Karl Klorer sich bei der Ausstattung des Kurhotels Villa Waldfrieden durch derartige Vorgaben anregen lassen.
Klorer erkannte die besonderen gastronomischen Möglichkeiten von Annweiler. Ihm war klar, worauf die modernen Gäste großen Wert legten. Dies ist dann in den kommenden Anzeigen ab April 1910 für die zu erwartenden Gäste der neu errichteten Villa Waldfrieden auch ersichtlich: Moderner Komfort wie Telefon, Toilette im Haus und Bad sowie elektrisches Licht.
Klorer war bis zu seinem Umzug nach Mannheim im Sommer 1912 in Annweiler in der Öffentlichkeit sehr engagiert. Am 22. Juli 1909 meldete das Annweilerer Wochenblatt: „Für die Besucher des Trifels wird sich demnächst eine angenehme Überraschung bieten. Herr Klorer, Erbauer des ersten Kurhauses am Fuße des Trifels, wird auf dem Trifels ein erstes großes Fernrohr aufstellen lassen, das gegen eine kleine Gebührenentrichtung der allgemeinen Benutzung zur gefl. Verfügung gestellt werden soll. Wir sind überzeugt, daß man dieses Unternehmen nur begrüßen und unterstützen wird.“ Und am 14. August lesen wir: „Schon seit 8 Tagen befindet sich auf dem Trifels ein größeres Teleskop, das Herr Kurhausbesitzer Klorer aufstellen ließ. Die Benützung wird für Jedermann Überraschung bieten…“
Im Jahr 1910 war der Bau des Kurhotels Villa Waldfrieden dann endlich so weit fortgeschritten, dass die Eröffnung bekannt gegeben werden konnte. Am 3. Februar 1910 informierte das Annweilerer Wochenblatt seine Leser mit folgendem Artikel: „Mit der Eröffnung des am Trifelsfuße herrlich gelegenen Kurhauses und Pension <Waldfrieden> , erbaut durch Herrn Architekt Klorer, wird es nun doch bald Ernst. Dasselbe ist an einen Herrn Karl Hirschmann , der seit 9 Jahren Oberkellner im Hotel Breith (Hotel Braith, d. Verf.) in Pirmasens ist, vermietet und dürfte Anfangs April bezogen werden. Die Einrichtung wird ganz der Neuzeit entsprechend. Die terrassenförmige Gartenanlage wird im Sommer ein beliebter Aufenthalt werden und das ganze Unternehmen vielleicht Veranlassung geben, daß unser Städtchen noch mehr als Luftkurort sich emporschwingt.“
Karl Klorer, der selbst als Architekt in eigenem Baubüro arbeiten wollte, hatte für sein Kurhotel den passenden Wirt gefunden. Karl Hirschmann war als langjähriger Oberkellner in einem angesehenen Hotel in der Hauptstraße in Pirmasens ein Mann mit viel Erfahrung. Wie wir im Stadtarchiv Pirmasens erfahren, ist Karl Jakob Hirschmann am 4.Januar 1874 in Willsbach geboren. Er heiratete am 24. März 1904 in Pirmasens Elisabetha Ehresmann, die in Dondieders 23.Dezember 1881 das Licht der Welt erblickte. Vom 14. April 1901 bis 13. März 1910 war er im Hotel Braith in Pirmasens als Oberkellner beschäftigt. In dem Adressbuch der Stadt Pirmasens von 1906 ist der Oberkellner als in der Schulstraße 8 wohnhaft verzeichnet. Nun führte ihn der berufliche Weg zur Villa Waldfrieden nach Annweiler.
Das für die damalige Zeit hochmoderne Kurhotel Waldfrieden wurde für seine anspruchsvollen Gäste mit neuester Technik ausgestattet. So meldete das Wochenblatt am 14.April 1910 „<Kurhaus Waldfrieden>. Besitzer Herr Karl Hirschmann, wurde heute unter Rufnummer 45 an das hiesige Telephon=Netz angeschlossen.“
Und am gleichen Tag verkündete Hirschmann in einer ersten Anzeige im Wochenblatt voll Stolz die Eröffnung von „Kurhotel und Restauration <Waldfrieden> Einer titl. Einwohnerschaft die höfl. Anzeige, dass ich ab Samstag abend vorerst meine Restaurationslokale eröffne und geneigtem Wohlwollen mich bestens empfehle. Hochachtungsvoll Karl Hirschmann.“
Am 3. Mai berichtete das Wochenblatt von den vielen Gästen zur Eröffnung des Kurhaus Waldfrieden „Ja, wenn es nur immer so bliebe, kann der Inhaber des am Samstagabend teilweise eröffneten Kurhauses <Waldfrieden> sprechen. Am Sonntag konnte man froh sein, unterzukommen und war es wirklich schade, daß man gerade das schönste Plätzchen, die Veranda, nicht hat benutzen können. Im Übrigen waren alle Benutzer recht zufrieden. Es ist wirklich ein schöner Punkt und was Küche und Keller des Herrn Hirschmann boten, fand volle Anerkennung. Wünschen wir nur, daß der Annweiler zur Zierde gereichende Bau auch bald ganz fertig wird und der Fremdenbesuch unseres Städtchens recht stark zunimmt.“
Wie aus dem Artikel hervorgeht, war der Bau Anfang Mai 1910 noch nicht fertig gestellt. Die Gründe sind nicht bekannt. Karl Klorer hatte in seinem weiteren Leben immer wieder mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Es war zu hoffen, dass mit dem nun eröffneten Kurhaus endlich genug Geld erwirtschaftet würde, um den Bau zu vollenden.
Am 12. Mai 1910 erschien im Wochenblatt eine in´s Auge fallende ausführliche Anzeige mit der oben bereits beschriebenen schwarz-weißen Zeichnung des Kurhauses von Klorer. In dem Textteil der Anzeige lockte der Inhaber mit folgendem Angebot: „Luftkurort Annweiler. Neu eröffnet! Kurhotel und Restauration<Waldfrieden>. Inh.: Carl Hirschmann. Telephon Nr.45 Direkt am Fusse des Trifels 8 Minuten vom Bahnhof. Elektrisch Licht. Bäder im Hause. Vorzüglich geeignet zu längerem Aufenthalt.“
Diese Anzeige spiegelt auch die rasanten Veränderungen, die damals die Geschichte des Reisens revolutionierten. Über Jahrhunderte mussten sich die Gäste mit Waschtisch und Waschschüssel, Nachttopf oder einem Plumpsklo hinter dem Haus begnügen. Kienspan, Kerzen oder Petroleumlampen sorgten für ein spärliches Licht.
Die um 1900 aktuellen Errungenschaften im Reisekomfort wurden natürlich auch von Klorer bei der Anlage seines Villenneubaus berücksichtigt: Im Hochparterre befand sich der zum Tal hin gerichtete große Gastraum als Speisezimmer. In dem nach Süden weisenden Flur lagen Gästezimmer und ein Bad. Die Toilette konnte man auf halber Höhe zum ersten Stock im Treppenhaus erreichen. In den beiden oberen Stockwerken befand sich der Wohnbereich für weitere Gäste sowie für den Inhaber. Über die Ausstattungsdetails ist uns nichts mehr bekannt. Bis zum jüngsten Umbau waren noch die alten Holztüren und Türgewände erhalten. Ein um 1900 moderner Terrazzoboden bedeckte den Eingangsbereich. Terrazzo, ein Gemisch aus Zement und farbigen schleiffähigen Zuschlägen aus Natursteinen, ergibt ein mosaikartiges Muster. Die Technik dieses sehr beliebten, strapazierfähigen Bodenbelags wurde durch Fachleute aus Italien nach Deutschland importiert. Der Terrazzoboden im Eingangsbereich der Villa Waldfrieden war leider an einigen Partien gesprungen und musste deshalb entfernt werden. Hölzerne Dielen bedeckten die Flure sowie die Wohn- und Gasträume des Kurhotels Villa Waldfrieden. Im Hochparterre konnten die alten Holzböden bei der Kernsanierung erhalten und frisch aufgearbeitet werden.
Das so erfolgversprechend gebaute Kurhotel bestach auch durch seine auffallende Lage unterhalb des Trifelswaldes. Es gab allerdings noch keine ausgebaute Straße, wie dies in den fünfziger Jahren mit der Anlage der Waldfriedenstraße geschehen ist. Ein einfacher Feldweg führte leicht ansteigend vom Eisweiher, dem heutigen Schwanenweiher kommend, direkt unterhalb der Villa durch die Felder. Vielleicht haben Karl Klorer und Karl Hirschmann hierfür eine Besserung beantragt. Wir lesen im Wochenblatt vom 14. Mai 1910 folgende Information : „Sehr entgegenkommend ist die hiesige kgl. Forstbehörde gegenüber dem neuen Kurhaus=Unternehmen gewesen. Ein etwa 300 Meter langer, prachtvoller neuer Pfad führt vom Trifelsweg nach dem Kurhausanwesen, von da aus man in etwa 8 Minuten den Bahnhof erreicht.“ Die weiteren Ausführungen in dem kleinen Artikel lassen uns aufhorchen, denn sie deuten erneut auf finanzielle Schwierigkeiten des Bauherrn hin. „Wohl hat die Vollendung des Kurhausbaues wesentliche Fortschritte gemacht, aber von einem Fertigsein kann man leider noch nicht reden und werden wir später nochmals darauf zurückkommen.“
Für den Aufbau des Gästebetriebes wurde auch weiterhin kräftig geworben. Eine erstmals am 28. Mai 1910 geschaltete Anzeige im Annweiler Wochenblatt betonte erneut das Angebot des Hauses: „Kurhotel u. Restauration <Waldfrieden> Inhaber : Carl Hirschmann Direkt am Fusse des Trifels :: Herrliche Lage Prima Biere ! Offene Weine ! Kalte und warme Speisen zu jeder Tageszeit“ Diese Anzeige wurde in der Folge des Jahres 1910 immer wieder im Wochenblatt abgedruckt.
Klorer und Hirschmann konnten davon profitieren, dass auch der Luftkurort Annweiler ständig um Verbesserung seiner touristischen Infrastruktur bemüht war. Am 13. September 1910 berichtete das Wochenblatt, dass für „Touristen und Kurgäste“ ein Wegweiser zum Trifels angelegt worden ist.
Ärgerlich für die Förderer von Annweiler als Luftkurort mit anspruchsvoller gastronomischer Versorgung der Kurgäste war das Erscheinen eines Artikels im Landauer Anzeiger im Herbst 1910. Wir erfahren von diesem „Rückblick auf die pfälzischen Sommerfrischen“ durch einen unbekannten Autor im Annweiler Wochenblatt vom 5. November 1910. Er beklagt das schlechte Gedächtnis des Landauer Artikelschreibers: „Wohl ist das kleinste Örtchen im hintersten Winkel des Pfälzerwaldes hervorgehoben und dabei vergißt man, wir möchten beinahe sagen, die Perle der pfälzischen Sommerfrischen, das so herrlich und reizend gelegene Städtchen Annweiler mit seiner unvergleichlichen wildromantischen Umgebung und historisch bedeutsamen Punkten.“ Die Bedeutung von Karl Klorers Kurhotel für den Anspruch von Annweiler als Kurstädtchen wird dann in folgenden Äußerungen deutlich: „Fremd muß dem Herrn Artikelschreiber auch sein, daß gerade in diesem Städtchen im letzten Jahre ein der Neuzeit entsprechend eingerichtetes Kurhotel <Waldfrieden> direkt am Fuße des Trifelswaldes gelegen und komfortabel eingerichtet, eröffnet worden ist.“
Der engagierte Autor des Artikels im Annweiler Wochenblatt fügte diesem Hinweis auf das das Kurhaus Waldfrieden noch einen weiteren besonderen Anziehungspunkt für Erholung suchende Sommerfrischler hinzu. Es handelt sich um den „Prachtbau“ des vom Städtischen Beamtenverein Ludwigshafen errichteten Erholungsheimes „im malerischen Bindersbacher Tale“. Das Erholungsheim, unser heutiges Kurhaus Trifels Seminarhotel, wurde dann im Jahr 1911 offiziell mit einer großen Feier eröffnet. Wie sich später zeigen sollte, konnte das kleine Kurhotel Villa Waldfrieden allerdings auf Dauer nicht mit dem auch für Gäste aus der allgemeine Öffentlichkeit zugänglichen Erholungsheim mithalten.
Vordergründig sehr positive Nachrichten zum Besuch des Kurhotels Villa Waldfrieden enthält ein Artikel im Wochenblatt vom 22. November 1910: „Der gestrige Sonntag machte tagsüber von den vorhergehenden Tagen eine rühmliche Ausnahme und bescherte uns recht angenehme Witterung. Reichlich wurde die Zeit auch zum Spazierengehen benützt und trotzdem die Wege nach dem Kurhaus <Waldfrieden> nicht besonders einladend sind, wimmelte es auf dem Wege dahin und füllten sich die Lokale bald derart, daß kaum noch Platz war, alle Erschienen zu beherbergen. Jedenfalls tragen auch die zivilen Preise und gute, aufmerksame Bedienung dazu bei, daß der Besuch in letzter Zeit überhaupt ein recht reger genannt werden kann.“
Bei gutem Wetter lief der Betrieb also erfreulich – aber wie war es bei schlechtem Wetter? Hier wird ein Problem deutlich, das schließlich wohl auch zu dem Ende der Ära Hirschmann und der Villa Waldfrieden als Kurhotel beigetragen hat: Bei schlechter Witterung kamen kaum Besucher und so stellte sich zunehmend die Frage, wie man im Winter ohne Kurgäste finanziell überleben konnte.
Dies muss Karl Hirschmann als Leiter des noch jungen Kurhotels auch beschäftigt haben. Er verließ bereits nach einer Saison, und zwar im Herbst 1910, das Kurhotel und Annweiler. Der ehemalige Oberkellner übernahm nun in Pirmasens die Parkbräuwirtschaft. In der gleichen Ausgabe des Annweiler Wochenblattes vom 22.November ist zu lesen: „Karl Hirschmann, der bis vor kurzem das neueröffnete Kurhotel <Waldfrieden> dahier inne hatte, übernimmt nunmehr, laut eines am Freitag mit der Parkbrauerei Pirmasens abgeschlossenen Vertrages, deren Hauswirtschaft in Pirmasens, eines der größten Bierlokale daselbst. Die Übernahme erfolgt in der zweiten Hälfte des Monats Dezember 1910. Der derzeitige Inhaber besagter Hauswirtschaft, Herr Morgenroth, führt vom gleichen Zeitpunkte ab das gegenüber dem Hauptbahnhof in Landau gelegene Hotel <Zum Kronprinzen> weiter.“
Ab Herbst 1910 war Hirschmann bis 1914 Wirt der Wirtschaft zur Parkbrauerei in der Zweibrückenstraße und von 1914 bis 1919 Inhaber der “ Gastwirtschaft zum Cafe“ in der Zeppelinstraße in Pírmasens. Er ist später verstorben, denn das Pirmasenser Adressbuch von 1930 / 31 führt unter „Karl Hirschmann“ seine Witwe auf, wohnhaft „gewerblich Ringstraße 35.“
Karl Klorer übernimmt die Leitung des Kurhotels Villa Waldfrieden…
Karl Hirschmann hat die Leitung des Kurhotels Villa Waldfrieden bereits Anfang November 1910 abgegeben. In einer Anzeige im Wochenblatt vom 10. November 1910 bekundete Karl Klorer, dass er die Leitung seiner Villa nun selbst übernommen habe: „Kurhaus <Waldfrieden. Einer verehrlichten Einwohnerschaft von Annweiler und Umgebung eine höfl. Mitteilung, daß ich nunmehr die Wirtschaftsführung selbst übernommen habe und versichere aufmerksame Bedienung Karl Klorer.“
Erfolgreich für den kommenden Gastronomen war die Stadtratssitzung vom 21. November 1910. Aus dem Stadtratsprotokoll sowie dem Wochenblatt vom 26. November ist zu entnehmen: „Das Gesuch des Herrn Klorer, Besitzer des Kurhotels <Waldfrieden> um die Konzession zum Weiterbetrieb dieses Kurhotels wird einstimmig befürwortet.“
Karl Klorer hatte bereits in der Kindheit im Restaurant seines Stiefvaters und seiner Mutter in Braunschweig Erfahrungen im gastronomischen Bereich sammeln können. Er ließ er sich Einiges einfallen, um Gäste in sein „Kurhotel Waldfrieden“ zu locken. In einer Anzeige im Wochenblatt vom 15. Dezember 1910 warb er mit einigen besonderen Schmankerln: „Heute Donnerstagabend von 6 Uhr ab Hasenbraten, Hasenpfeffer mit Kartoffelklößen.“
Karl Klorer war unter anderem durch seine Mitgliedschaft in der Zimmerstutzen-Schützengesellschaft in die Bürgerschaft von Annweiler eingebunden. Am 26. Januar 1911 berichtete das Wochenblatt von seinem unermüdlichen Einsatz, auch bei dem jährlichen Schützenball im Hotel Schwan, denn „Herr Klorer stiftete ein sehr hübsches Service, geschossen von Zoeller“.
Und am Samstag, den 18.Februar 1911, sehen wir eine Anzeige mit der Werbung des Kurhauses Waldfrieden: „Heute Samstag Abend Karnevalistisch musikalische Abendveranstaltung.“ Über den Verlauf der Veranstaltung berichtete das Wochenblatt am 21. Februar: „Unheimliche Gestalten waren es, die am vergangenen Samstagabend durch die Burgstraße <wateten>, um nach dem Kurhotel <Waldfrieden> zur großen Redoute zu <baden>….“ Am 6.April 1911 informiert die Zimmerstutzen-Schützengesellschaft in einer Anzeige im Wochenblatt ihre Mitglieder: „bei Schützenbruder Klorer ordentliche Versammlung.“
Stolz warb Klorer im Jahr 1911 noch einmal mit einer Anzeige im „Adressbuch der Stadt Landau und Umgebung“ und nannte zusammenfassend alle Vorzüge seines Hauses: „Kurhotel & Restaurant Waldfrieden, Annweiler, Pf. Besitzer: Karl Klorer ::Telefon 45. Schöne freie Lage mit herrlicher Aussicht am Fuße des Trifels gelegen::Komfortable neu eingerichtete Fremdenzimmer::Elektrisches Licht, Bad , Terrasse und Veranda:: Zu längerem Kuraufenthalt bestens empfohlen:: Pension von 4,50 Mark an.“
Das Jahr ließ sich gut an, der Fremdenverkehr wurde im Frühjahr immer stärker, so berichtet das Wochenblatt am 20. April 1911 , dass mit jedem eingelaufenen Zug „Touristenscharen“ zur Burg Trifels wanderten. Und am Himmelfahrtstag „wimmelt es von Touristen“ notierte das Wochenblatt vom 27. Mai 1911.
Nicht nur die große Gästeschar, sondern auch ganz praktische Entwicklungen konnten sich für das Kurhotel Villa Waldfrieden positiv auswirken. So schrieb das Wochenblatt am 1. Juni 1911 von der „Pflasterung der Burgstraße“, dem wichtigsten Zugang aus dem Stadtkern von Annweiler in Richtung Villa Waldfrieden. Klorer hatte im Frühjahr 1911 bei der Stadt um Unterstützung bei der „Straßenbaukostenhinterlegung“ angefragt. In der Stadtratssitzung vom 7. Juni wurde dem „Gesuch des Kurhausbesitzers Klorer entsprechend Rechnung getragen“ informierte das Wochenblatt am 10. Juni seine Leserschaft.
In der gleichen Ausgabe berichtete das Wochenblatt von einer weiteren Entscheidung des Stadtrates, wonach dieser die „Konzession zum Betrieb des Kurhauses, Beamtenheim Ludwigshafen einstimmig befürwortet“ . Das Beamtenheim war seit 1907 in der Planung und im Bau und Klorer war sich möglicherweise nicht bewusst, welch große Konkurrenz sich hierbei für sein kleines Kurhotel ergeben würde.
Mehrere ausführliche Artikel berichteten am 1., 6. und 8. Juli im Wochenblatt von der feierlichen Eröffnung. Viele prominente Persönlichkeiten waren angereist, um diesen großen Tag für Annweiler und seine Kurhotellerie zu erleben. Regierungspräsident Ritter von Neuffer besuchte bei dieser Gelegenheit auch das Kurhaus Waldfrieden und seinen Besitzer Karl Klorer, notierte das Wochenblatt vom 20. Juli 1911.
Der unermüdliche Kurhausbesitzer wollte auch in der fortgeschrittenen Herbstzeit Gäste in seine nur über einen Feldweg zu erreichenden Villa locken. So warb er am 14. November im Wochenblatt: „Jeden Samstag und Mittwoch Abend Münchner Bier vom Faß“.
Ein letztes Zeugnis zur Einbindung von Karl Klorer in die Bürgerschaft von Annweiler befindet sich in der Anzeige vom 10. Dezember 1911. Der Ausschuss der Zimmerstutzen- Schützen- Gesellschaft lud für „Samstag den 16. Dezember 1911 abends 1/2 9 Uhr“ zur General-Versammlung in das Kurhotel des Mitglieds Klorer „behufs Festsetzung des gemeinsamen Essen und Sonstige. Es wird dringend gebeten sich möglichst zahlreich einzufinden.“
Das Jahr der Wende 1912…
Im Jahr 1912 erschienen im Annweiler Wochenblatt zahlreiche Berichte, so beispielsweise am 14. und 25. und 26. Mai über das frisch eröffnete Erholungsheim in Bindersbach. Dort erwartete die Gästen vielfältige Unterhaltung, darunter musikalische Darbietungen. Am 20. August lesen wir von der „Herrlichkeit und Romantik des Fleckchens„. Am 19. September wurde die idyllische Lage mit einem Gedicht gewürdigt und am 5.Oktober wurde eine große Schar von Wanderfreunden des Pfälzerwald-Vereins Ludwigshafen – Mannheim erwähnt, die den Weg zum Erholungsheim gefunden haben.
Im Unterschied zu dem erfolgreich geführten Erholungsheim schaltete Klorer in diesem Jahr keine Anzeigen mehr. Auch gab es keine Zeitungsartikel mehr, die sich auf das Kurhotel Villa Waldfrieden beziehen. Karl Klorer beendete sein so hoffnungsvoll begonnenes Engagement als Erbauer des ersten Kurhotels von Annweiler und letztlich auch als Gastronom. Mit seiner Frau Anna-Maria und den vier Kindern verließ Karl Klorer die Trifelsstadt und zog nach Mannheim. Wie aus dem Einwohnermeldebuch von Mannheim hervorgeht, wohnte die Familie seit 5. Juni 1912 in den Quadraten T6, 19. Er war dort zunächst im Bezirksbauamt tätig. Dies geht aus Planzeichnungen zum Umbau des barocken Gerichtsgebäudes in Schwetzingen hervor, die er 1913 angefertigt hat. Die Originale sind teilweise im Generallandesarchiv in Karlsruhe erhalten.